Schmugglern auf der Spur

Zollfahnder am Flughafen München

Regelmäßig suchen Zivilfahnder des Zolls am Münchner Flughafen nach Rauschgift. Die Kuriere verstecken die Drogen immer kreativer, doch die Fahnder haben ein untrügliches Gespür, sie zu entlarven.

Der Flieger kommt am frühen Morgen aus Amsterdam. Während die Maschine über das Vorfeld rollt, bringt sich vor der Fluggastbrücke bereits eine kleine Gruppe in Position, um die ankommenden Reisenden in Empfang zu nehmen. Reinhold Ott*, ein großer, sportlicher Mann, Brille, kurzes graues Haar, mustert die umstehenden Menschen und registriert: Zwei von ihnen haben einen Koffer, eine Frau trägt eine Reisetasche, ein Mann schwingt sich einen Rucksack auf den Rücken. Wie ganz gewöhnliche Passagiere sehen sie aus. Doch in Wirklichkeit sind sie Zivilfahnder.

Eine zweite Gruppe kommt um die Ecke. Deren Mitglieder tragen grüne Uniformen und Westen mit der Aufschrift "Zoll". "Guten Morgen, Kollegen", begrüßen sich Uni-formierte und Zivile. Reinhold Ott ist Zollamtmann und Mitglied der zivilen Überwachungsgruppe, kurz Ü-Gruppe. Gemeinsam mit 80 Kolleginnen und Kollegen vom Zoll fahndet er am Münchner Flughafen allerdings nicht nach unangemeldeten Waren, sondern nach Rauschgiftschmugglern.

Denn einen Großteil der Drogen versuchen die Kuriere, mit dem Flugzeug ins Land zu bringen. Allein am Flughafen München stellten die Beamten des Münchner Hauptzollamts im Jahr 2020 insgesamt 114 Kilogramm Rauschgift sicher, 2019 waren es sogar 414 Kilogramm. Am häufigsten geschmuggelt werden Kokain, Ecstasy und Khat, eine afrikanische Pflanze mit berauschender Wirkung.

Innerhalb von Sekunden entscheiden

Die Maschine aus Amsterdam hat inzwischen geparkt. Direkt vor der Fluggastbrücke steht ein junger Zollfahnder. Er hat Nando, einen Deutsch Kurzhaar, an der Leine. Die feine Nase des Jagdhundes unterstützt die Zollfahnder heute bei der Kontrolle. Die Passagiere verlassen den Flieger über die Fluggastbrücke und laufen ins Terminal. Einige schauen die Beamten in Uniform genau an, die zivilen Fahnder nehmen sie dagegen kaum wahr. Reinhold Ott und sein Kollege, Zollhauptsekretär Norbert Merk*, haben so die Möglichkeit, die vorbeihastenden Fluggäste genauer zu mustern. "Man entscheidet sich innerhalb von Sekunden für oder gegen eine Person", erklärt Ott. Schließlich passen sie einen Mann ab, der allein reist. Er muss sich ausweisen und ein paar kurze Fragen beantworten.

"Wir halten Ausschau nach allem, was nicht stimmig ist, nach kleinsten Abweichungen oder Anomalien", sagt Norbert Merk. "Wenn jemand alte Turnschuhe zu einem offensichtlich neu gekauften Anzug trägt, ist das seltsam. Wenn wir jemanden fragen, warum er Badelatschen dabei hat und er kommt ins Stottern, ist irgendetwas faul." Der Mann, den sie gerade kontrollieren, hat drei Telefone dabei, doch die teuren Smartphones passen nicht zu seinem übrigen Erscheinungsbild. Deswegen ist er Merk aufgefallen. Im Kontrollbereich soll er seinen Koffer öffnen, aber die beiden Fahnder können nichts finden. Auch der Schnelltest ergibt keine Spuren von Rausch-mittel, der Mann darf weiterreisen.

"Mit der feinen Nase eines Hundes hätten wir es gleich gewusst", sagt Ott und tätschelt Nandos Hals, der gerade bei der Kontrolle eines anderen Passagiers im Einsatz war. Mehrere hundert Male pro Minute atmet der Drogenspürhund im Einsatz ein und wieder aus – für ihn ist eine Kontrolle viel anstrengender als für seinen Hundeführer. Nach jedem Einsatz darf er deshalb Pause machen.


Partner Spürnase

Eine junge Frau drängt sich an Nando vorbei – und in weniger als einer Sekunde reagiert der Spürhund. Er ist darauf trainiert, nicht zu bellen, sondern sich sofort hinzu-setzen, wenn er Rauschgift wittert. Sein Job ist damit beendet. Jetzt sind seine menschlichen Partner an der Reihe. Doch diesmal war es nur ein Test: Die vermeintliche Schmugglerin ist eine Zöllnerin mit einer Attrappe in der Tasche. "Die Hunde brauchen das Erfolgserlebnis und die Belohnung für den Einsatz, damit sie motiviert bleiben", erklärt Ott die Aktion.

Marihuana in der Teedose

Ohne die Unterstützung der Spürnasen hätten es die Zollfahnder noch schwerer, denn die Kuriere lassen sich ständig neue Methoden einfallen, um verbotene Sub-stanzen nach Deutschland zu schmuggeln. Crystal Meth, als Süßigkeit getarnt in Bonbonpapier verpackt, Kokain im Rollstuhlreifen oder Marihuana in Teedosen – es gibt kaum ein Versteck, das Ott und Merk in ihrer Dienstzeit noch nicht gesehen haben. Norbert Merks skurrilster Fall liegt inzwischen schon etwas zurück. Trotzdem er-innert er sich noch genau: "Wir haben eine Maschine kontrolliert, die aus Südamerika kam. Dabei fiel mir eine sehr nervös wirkende Passagierin auf. Wir befragten sie kurz und wollten den Grund für ihre Reise nach Deutschland wissen, doch sie konnte uns keinen nennen." Daraufhin folgte eine gründliche Gepäckkontrolle, jedoch ohne Erfolg.

"Ich hatte das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt, aber es war einfach nichts zu finden", erzählt der Zollhauptsekretär. "Wir hätten sie beinahe schon weiterreisen lassen, aber als eine Kollegin sie abtastete, ist ihr plötzlich ein Rascheln an ihren Haaren aufgefallen." Bei näherem Hinsehen dann die unglaubliche Entdeckung: Die Frau trug eine Perücke mit unnatürlich üppiger Haarfülle. Insgesamt ein halbes Kilo Kokain war in die Frisur eingeflochten.

In solchen Fällen sind das Gespür und die Erfahrung der Zollfahnder unersetzlich. Da sie nicht jede Maschine, die in München landet, kontrollieren können, sucht sich die Ü-Gruppe aus dem Flugplan Stichproben heraus. Besonders stark kontrolliert werden Flieger aus Ländern, die als potenzielle Drogenumschlagplätze bekannt sind, beispielsweise Südamerika und Afrika. "Wir haben kein Raster oder Muster, nach dem wir vorgehen können. Den typischen Kurier gibt es nicht. Wir könnten auch festlegen, dass wir jeden Fünften kontrollieren, aber ganz viel läuft bei der Drogenfahndung einfach über Intuition", sagt Ott. "Es ist die Suche nach der Nadel im Heuhaufen – und manchmal ist es einfach nur so ein Gefühl, das für den Erfolg entscheidend ist."

*Namen von der Redaktion geändert

Plötzlich hörten wir ein Rascheln an ihren Haaren.

Zoll am Flughafen München

Norbert Merk*

Zollhauptsekretär am Flughafen München



  • Auf der Jagd nach Drogen: Nando, ein Deutsch Kurzhaar, atmet mehrere Hundert Male pro Minute ein und wieder aus – für ihn ist eine Kontrolle viel anstrengender als für seinen Hundeführer
  • Durchleuchtet: Ein Fahnder kontrolliert das Gepäckstück eines Verdächtigen.


Ausbildung beim Zoll

Zollbeamte am Flughafen München


Das Hauptzollamt München stellt zum Sommer eines jeden Jahres Beamtinnen und Beamte im mittleren und gehobenen Zolldienst ein.

Mehr Informationen gibt es unter www.zoll.de

Ähnliche Themen